In Zeiten wachsender Unsicherheit, disruptiver Marktveränderungen und komplexer globaler Zusammenhänge stehen Unternehmen vor immer größeren Herausforderungen. Begriffe wie VUCA-Welt – ein Akronym für Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) – beschreiben die Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen heute agieren. Plötzliche Ereignisse wie Pandemien, geopolitische Konflikte, wirtschaftliche Einbrüche oder unterbrochene Lieferketten stellen Unternehmen regelmäßig vor existenzielle Fragen. In solchen Situationen kann Interim Management eine entscheidende Rolle übernehmen – insbesondere im Bereich Krisenmanagement und Restrukturierung.
1. Warum Krisenmanagement immer relevanter wird
Krisen entstehen meist plötzlich, unvorhersehbar und mit hoher Wirkungskraft. Sie betreffen nicht nur die finanzielle Stabilität eines Unternehmens, sondern auch seine operativen Abläufe, Mitarbeiterbindung und strategische Ausrichtung. Krisenarten können sein:
- Finanzielle Krisen (Liquiditätsengpässe, Überschuldung)
- Operative Krisen (Produktionsausfälle, Qualitätsprobleme)
- Reputationskrisen (Datenskandale, Rückrufaktionen)
- Marktveränderungen (Disruption durch neue Wettbewerber)
- Personalbezogene Krisen (hohe Fluktuation, Fachkräftemangel)
Das interne Management ist häufig überfordert oder befangen, wenn es um die schnelle Bewältigung solcher Ausnahmezustände geht. Dies ist verständlich – in der Regel fehlt die notwendige Erfahrung im Umgang mit akuten Krisen. Genau hier setzen Interim Manager als Krisenmanager an.
2. Die Rolle von Interim Managern im Krisenmanagement
Ein Interim Manager wird temporär in eine Führungsrolle eingesetzt – häufig auf C-Level – und übernimmt operative Verantwortung mit sofortiger Wirkung. Die Vorteile:
- Schneller Einsatz ohne lange Einarbeitungszeit
- Objektiver Blick von außen, frei von internen Konflikten
- Erprobte Krisen- und Sanierungskompetenz
- Hohe Umsetzungskompetenz, da sie nicht nur beraten, sondern handeln
Praxisbeispiel 1: Rettung eines mittelständischen Automobilzulieferers
Ein Automobilzulieferer geriet während der COVID-19-Pandemie in eine Schieflage. Aufträge blieben aus, gleichzeitig liefen die Fixkosten weiter. Ein Interim Manager übernahm die kaufmännische Leitung, verhandelte Zahlungsziele mit Lieferanten, beantragte Überbrückungshilfen und initiierte ein Liquiditätsmonitoring. Innerhalb von 8 Wochen konnte das Unternehmen stabilisiert und eine geordnete Restrukturierung eingeleitet werden.
3. Restrukturierung: Mehr als nur Kostenreduktion
Krisenmanagement geht oft Hand in Hand mit Restrukturierung. Dabei geht es nicht allein darum, Kosten zu senken, sondern darum, ein Unternehmen strategisch und operativ neu aufzustellen. Restrukturierungsmaßnahmen können u.a. umfassen:
- Organisationsentwicklung (z. B. Verschlankung von Hierarchien)
- Portfoliobereinigung (z. B. Eliminierung unprofitabler Produktlinien)
- Effizienzsteigerung (z. B. Prozessoptimierung, Digitalisierung)
- Neuausrichtung der Vertriebsstrategie
- Turnaround-Management bei akuter Insolvenzgefahr
Praxisbeispiel 2: Restrukturierung in der Konsumgüterbranche
Ein international agierendes Unternehmen der Konsumgüterindustrie litt unter starkem Margenverfall. Der Interim Manager analysierte Produktgruppen, führte ein ABC-Portfolio ein, strukturierte Marketingbudgets neu und initiierte eine Vertriebskooperation mit einem Wettbewerber in Osteuropa. Ergebnis: Nach 12 Monaten war das Unternehmen wieder profitabel, der EBIT hatte sich verdoppelt.
4. Die Auswahl des richtigen Interim Managers
Nicht jeder Interim Manager eignet sich automatisch für jede Krise. Die Auswahl sollte gezielt erfolgen, basierend auf:
- Branchenkenntnis (z. B. produzierendes Gewerbe, Handel, IT)
- Fachliche Spezialisierung (z. B. Finanzen, HR, Produktion)
- Persönliche Souveränität und Kommunikationsstärke
- Erfahrung in vergleichbaren Krisenszenarien
- Referenzen und nachweisbare Erfolge
Zahlreiche Provider haben sich auf die Vermittlung von Interim Managern spezialisiert und können in wenigen Tagen geeignete Kandidaten vorschlagen.
5. Umsetzungskompetenz: Vom Maßnahmenplan zur Wirkung
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die konsequente Umsetzung. Interim Manager entwickeln nicht nur Maßnahmenpläne, sie sind vor allem für deren Umsetzung verantwortlich. Dies beinhaltet:
- Stakeholder-Kommunikation (z. B. Kommunikation mit Banken, Eigentümern)
- Einbindung der Mitarbeitenden
- Monitoring der Fortschritte
- Anpassung bei Zielverfehlungen
Praxisbeispiel 3: Umsetzung eines Turnaround-Plans
Ein Logistikunternehmen war durch den Verlust eines Großkunden in Schieflage geraten. Der Interim Manager entwickelte innerhalb weniger Wochen ein Notfallprogramm: Reduktion der nicht ausgelasteten Fahrzeugflotte, Einführung eines flexiblen Personaleinsatzplans, Neuverhandlung von Mietverträgen für Lagerhallen. Der Turnaround gelang – das Unternehmen wurde ein Jahr später verkauft, über Marktwert.
6. Nachhaltigkeit und Übergabe nach dem Mandat
Ein professioneller Interim Manager denkt nicht nur an die Gegenwart, sondern stellt sicher, dass die Maßnahmen nachhaltig wirken. Dazu gehört:
- Aufbau interner Kompetenzen
- Schulung von Mitarbeitenden
- Dokumentation der Maßnahmen
- Strukturierte Übergabe an die Nachfolge (intern oder extern)
Ziel ist, dass das Unternehmen nach Beendigung des Mandats nicht erneut in Schwierigkeiten gerät, sondern gestärkt aus der Krise hervorgeht.
7. Typische Einsatzszenarien für Krisen-Interim Manager
Neben den genannten Beispielen gibt es eine Vielzahl weiterer Szenarien:
- Integration nach M&A-Transaktionen
- Insolvenznahe Beratung / Schutzschirmverfahren
- Kultureller Wandel in Familienunternehmen
- Bewältigung von Cyberangriffen und Datenschutzvorfällen
- Lieferanteninsolvenzen und Notfallbeschaffung
8. Herausforderungen und Grenzen
Trotz der vielen Vorteile sind auch Herausforderungen zu beachten:
- Akzeptanz durch interne Führungskräfte: Interim Manager müssen mit Fingerspitzengefühl agieren, um Widerstände zu überwinden.
- Begrenzter Zeithorizont: Die Wirksamkeit muss in kurzer Zeit erzielt werden.
- Hohe Tagessätze: Interim Management ist kostenintensiv – allerdings oft günstiger als ein dauerhafter Schaden.
9. Fazit: Stabilisierung und Neuausrichtung durch erfahrene externe Führung
Interim Management im Krisen- und Restrukturierungsumfeld ist weit mehr als eine kurzfristige Überbrückung. Es ist ein wirksames Instrument zur Stabilisierung, Neuausrichtung und langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen, die diese Ressource gezielt nutzen, verschaffen sich nicht nur einen strategischen Vorteil, sondern sichern auch Arbeitsplätze, Marktanteile und ihre Existenz. Gerade in der VUCA-Welt – mit all ihren unvorhersehbaren und komplexen Herausforderungen – sind Interim Manager als Krisenmanager oft der Unterschied zwischen Zusammenbruch und Neuanfang.
Quintessenz: Interim Management ist in Krisenzeiten kein „Luxus“, sondern ein ergebnisorientiertes Führungsinstrument mit sofortiger Wirkung. Wer rechtzeitig handelt, sichert nicht nur seine Zukunft – er gestaltet sie aktiv.