Interim Management im Supply Chain Management: Chancen, Herausforderungen und Praxisbeispiele

Interim Management im Supply Chain Management: Chancen, Herausforderungen und Praxisbeispiele

Die globalisierte Wirtschaft steht an einem Scheideweg. Über Jahre hinweg galt die internationale Arbeitsteilung als Garant für Wachstum, Effizienz und Kostenvorteile. Just-in-time-Lieferungen, Offshore-Produktion und eng getaktete Lieferketten waren feste Bestandteile eines erfolgreichen Supply Chain Managements (SCM). Doch diese vermeintlich stabilen Strukturen zeigten in den letzten Jahren deutliche Schwächen: Pandemien, Naturkatastrophen, geopolitische Konflikte und Handelsstreitigkeiten führten zu massiven Störungen und unterbrachen Lieferketten weltweit.

Vor diesem Hintergrund rückt das Supply Chain Management stärker in den Fokus von Unternehmen. Resilienz, Flexibilität und Transparenz werden zu neuen Leitprinzipien. In dieser Phase des Umdenkens können Interim Manager und Managerinnen mit ihrer Erfahrung und ihrem spezialisierten Know-how einen entscheidenden Beitrag leisten. Sie helfen Unternehmen dabei, ihre Lieferketten zu analysieren, neu zu strukturieren und zukunftssicher aufzustellen.

Warum Interim Management im Supply Chain Management?

Interim Manager sind erfahrene Führungskräfte, die kurzfristig für eine bestimmte Dauer in Unternehmen eingebunden werden. Sie übernehmen operative Verantwortung, führen Veränderungsprozesse durch und bringen eine neutrale Außenperspektive mit. Gerade im komplexen und dynamischen Bereich des Supply Chain Managements bietet ihr Einsatz zahlreiche Vorteile:

1. Schnelle Verfügbarkeit und Umsetzungsstärke

Wenn eine Lieferkette stockt, bleibt keine Zeit für langwierige Auswahlprozesse. Interim Manager stehen kurzfristig zur Verfügung, analysieren die Situation und setzen sofort Maßnahmen um – ein entscheidender Vorteil gegenüber klassischen Beratungsansätzen.

2. Breite Erfahrung und Spezialisierung

Viele Interim Manager sind auf spezifische Themen wie Beschaffung, Produktionslogistik, Risikomanagement oder Digitalisierung spezialisiert. Sie bringen Erfahrung aus unterschiedlichen Branchen und Projekten mit, die auf neue Situationen übertragen werden kann.

3. Ergebnisorientierung

Im Gegensatz zu internen Projektleitern oder Beratern werden Interim Manager am Ergebnis gemessen. Sie fokussieren sich auf die Zielerreichung, nicht auf langfristige Positionierung im Unternehmen.

Herausforderungen im modernen Supply Chain Management

Der zunehmende Druck auf Lieferketten verlangt ein Umdenken. Interim Manager können hier als Transformationsbegleiter agieren. Die zentralen Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen, sind:

a) Zunehmende Komplexität

Lieferketten sind global verteilt. Ein Produkt kann Komponenten aus zehn Ländern enthalten. Diese Komplexität erhöht die Anfälligkeit für Störungen und erschwert die Transparenz.

b) Wachsende Unsicherheiten

Globale Krisen, politische Instabilität, neue Zollbestimmungen und Umweltauflagen erhöhen das Risiko. Lieferketten müssen robuster und flexibler gestaltet werden.

c) Kosten- und Effizienzdruck

Steigende Rohstoffpreise, Energie- und Transportkosten sowie höhere Anforderungen an Nachhaltigkeit stellen Unternehmen vor neue finanzielle Herausforderungen.

d) Digitalisierung und Automatisierung

Neue Technologien wie KI, Blockchain oder IoT bieten Chancen, benötigen aber strategische Implementierung und Change-Management – ein ideales Einsatzfeld für Interim Experten.

Einsatzfelder für Interim Management im SCM

Interim Manager können in nahezu allen Bereichen des Supply Chain Managements eingesetzt werden. Die wichtigsten Einsatzfelder sind:

1. Lieferantenmanagement

  • Aufbau neuer Lieferantenbeziehungen: In Krisenzeiten ist es oft notwendig, alternative oder regionale Lieferanten zu identifizieren. Interim Manager analysieren das bestehende Portfolio und evaluieren neue Bezugsquellen.
  • Verhandlungen und Vertragsmanagement: Sie führen Preis- und Konditionsverhandlungen, gestalten Vertragswerke und stärken partnerschaftliche Beziehungen.
     

Praxisbeispiel:
Ein Automobilzulieferer verlor durch einen Fabrikbrand einen seiner wichtigsten Elektroniklieferanten in Asien. Ein Interim Manager wurde eingesetzt, um innerhalb von sechs Wochen Ersatzlieferanten in Osteuropa und Nordafrika zu identifizieren und Verträge zu verhandeln – ein entscheidender Schritt zur Sicherung der Produktion.

2. Risikomanagement und Resilienzstrategien

  • Risikobewertungen: Interim Manager führen systematische Risikoanalysen der Lieferketten durch.
  • Notfallpläne und Szenarien: Sie entwickeln alternative Lieferwege und Dual-Sourcing-Strategien.
     

Praxisbeispiel:
Ein Maschinenbauunternehmen beauftragte einen Interim Experten zur Analyse seiner stark China-lastigen Lieferkette. Der Manager entwickelte ein Risikoscoring-Modell und initiierte die Verlagerung von 30 % der Beschaffung nach Europa und Südamerika.

3. Optimierung der Logistikprozesse

  • Transportmanagement: Analyse und Reduktion von Transportkosten, Verhandlungen mit Logistikdienstleistern.
  • Lageroptimierung: Einführung von Lean-Prinzipien, Just-in-Sequence oder Cross-Docking-Prozessen.
     

Praxisbeispiel:
Ein Handelsunternehmen hatte stark steigende Lagerkosten. Der Interim Manager restrukturierte die Lagerlogistik, führte eine Bedarfsprognose-Software ein und reduzierte Überbestände um 25 %.

4. Digitale Transformation in der Supply Chain

  • Einführung von ERP- und SCM-Systemen: Interim Manager übernehmen das Projektmanagement bei Systemumstellungen (z. B. SAP S/4HANA).
  • Data Analytics und Transparenz: Aufbau von Dashboards zur Echtzeitüberwachung der Lieferkette.
     

Praxisbeispiel:
Ein Medizintechnikunternehmen hatte kaum Einblick in seine Lieferkette. Ein Interim CIO führte in vier Monaten ein cloudbasiertes Supply-Chain-Tracking-System ein. Die Transparenz führte zur Halbierung von Lieferverzögerungen.

5. Change Management und Schulung

  • Begleitung von Reorganisationen: Einführung neuer Prozesse benötigt Erfahrung im Umgang mit Widerständen und Schulungsbedarf.
  • Training und Coaching: Interim Manager unterstützen bei der Qualifizierung des internen SCM-Teams.
     

Strategische Vorteile durch Interim Management

Neben der kurzfristigen Problemlösung bieten Interim Manager auch langfristige strategische Mehrwerte:

  • Benchmarking und Best Practices: Durch ihre externe Sicht bringen sie neue Ansätze und Innovationsimpulse.
  • Netzwerke: Viele Interim Manager verfügen über ein wertvolles Netzwerk an Lieferanten, Experten und Dienstleistern.
  • Unabhängigkeit: Als außenstehende Experten treffen sie objektive Entscheidungen, auch wenn diese unpopulär sind.
     

Zukunftsperspektiven: Nachhaltigkeit und regionale Lieferketten

Ein zunehmend wichtiger Aspekt des Supply Chain Managements ist die Nachhaltigkeit. Unternehmen werden durch Kunden, Investoren und Regulierungen (z. B. das Lieferkettengesetz) zur Einhaltung sozialer und ökologischer Standards verpflichtet. Interim Manager können:

  • Nachhaltigkeitsstrategien in der Lieferkette entwickeln.
  • Audits bei Lieferanten durchführen.
  • Zertifizierungsprozesse begleiten (z. B. ISO 14001, SA8000).
     

Zudem gewinnen regionale Lieferketten („Nearshoring“ oder „Reshoring“) wieder an Bedeutung. Interim Manager unterstützen Unternehmen bei:

  • Standortanalysen für neue Produktions- oder Logistikstandorte.
  • Aufbau lokaler Liefernetzwerke.
  • Integration regionaler Partner in bestehende Systeme.
     

Fazit

Das Supply Chain Management steht vor grundlegenden Veränderungen. Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit gewinnen gegenüber reiner Kostenoptimierung an Bedeutung. Interim Management bietet Unternehmen die nötige Flexibilität und Expertise, um diese Herausforderungen zu meistern. Mit praxisnaher Erfahrung, schnellem Einsatz und strategischem Weitblick tragen Interim Manager entscheidend dazu bei, Lieferketten neu zu denken, zu gestalten und zu stabilisieren.

Der Einsatz von Interim Management im Supply Chain Management ist damit keine Notlösung, sondern eine strategische Investition in Zukunftsfähigkeit – insbesondere in Zeiten, in denen Wandel zur neuen Konstante wird.

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