Kürzlich wurden wir wieder einmal gefragt, was berufliche Weiterbildung genau ist und was alles dazu zählt. Obwohl berufliche Weiterbildung in der westlichen Welt relativ weit verbreitet ist, wird sie häufig falsch verstanden oder in ihrer Bedeutung unterschätzt.
Unter beruflicher Weiterbildung verstehen wir Bildungsmaßnahmen, die Erwerbspersonen im aktiven Erwerbsleben bzw. von Arbeitslosigkeit Betroffene adressieren und üblicherweise eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine gleichwertige Qualifikation voraussetzen. Dabei gilt es, neue Qualifikationen zu vermitteln beziehungsweise bereits erworbene Qualifikationen aufzufrischen oder zu erhalten. So sollen, insbesondere vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wandels, Beschäftigungschancen sichergestellt oder erweitert werden.
Darüber hinaus soll das Kompetenzprofil Einzelner an die konkreten Bedarfe in Unternehmen angepasst werden. Das bedeutet, dass Mitarbeitende sich in den Themen weiterbilden, bei denen im Unternehmen nicht oder nicht ausreichend Know-how vorhanden ist. In der Regel werden dabei die Mitarbeitenden mit den entsprechenden Maßnahmen weitergebildet, die mit diesen Themen unmittelbar betraut werden sollen.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erfolgt hier eine Stärkung der Wettbewerbsposition, weil das Unternehmen damit seine Expertise erweitert. In der Summe der Weiterbildungen in den vielen Unternehmen werden so auch die entsprechenden Volkswirtschaften gestärkt.
Richtig angewendet, verspricht berufliche Weiterbildung eine Menge an Vorteilen sowohl für die Wirtschaft als auch für die einzelnen Mitarbeitenden, die eine berufliche Weiterbildung durchlaufen. Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens und der kontinuierlichen Weiterbildung ist dabei vor dem Hintergrund des Wandels und den Verwerfungen der VUCA-Welt unstrittig und DER Königsweg, heute und auch in Zukunft zu bestehen.
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Formen der beruflichen Weiterbildung
Wir können drei unterschiedliche Ausprägungen der beruflichen Weiterbildung identifizieren:
- Formal
- Nicht formal
- Informell
Formale Weiterbildung
Formale Weiterbildung im beruflichen Bereich findet in der Regel in Weiterbildungseinrichtungen statt, also außerhalb des jeweiligen Unternehmens. Solche Weiterbildungen sind organisiert und folgen meist einem definierten und anerkannten Curriculum. Normalerweise handelt es sich dabei um Vollzeit-Bildungsgänge.
Ein weiteres Merkmal formaler Weiterbildung ist eine Weiterbildungsdauer von mindestens sechs Monaten. Es müssen nicht unbedingt alle Kriterien erfüllt sein, zum Beispiel gibt es durchaus formale Weiterbildungen in berufsbegleitenden Formaten. Typische formale Weiterbildungen sind zum Beispiel Meisterausbildungen, Ausbildungen zum geprüften Fachwirt oder geprüften Fachwirtin, Weiterbildungen zum Techniker oder zur Technikerin.
Zum Bereich der formalen Weiterbildung gehören auch Weiterbildungen, die aus bestimmten Gründen reglementiert sind. Wir zählen dazu Weiterbildungen wie zum Beispiel die Weiterbildung zum Sicherheitsbeauftragten oder eine Weiterbildung zum Datenschutzbeauftragten.
Nicht formale Weiterbildung
Nicht formale Weiterbildung, auch non-formale Weiterbildung genannt, sind im beruflichen Kontext Weiterbildungen, die nicht in einen offiziellen Qualifikationsrahmen eingebunden sind, deren Hauptmerkmale Attribute sind wie ein gewisses Maß an Organisiertheit, eine Lernziel-Definition, ein Curriculum sowie in der Regel einen Anfangs- und Endzeitpunkt beinhalten.
Sie können im Unternehmen oder extern angeboten sein. Oftmals finden sie direkt am Arbeitsplatz statt. Die Inhalte werden in den verschiedensten Formen präsentiert, wie zum Beispiel Seminare und Trainings vor Ort, in Form schriftlicher Unterlagen oder online in den verschiedensten Ausprägungen. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung erleben wir einen Trend hin zu online angebotenen Weiterbildungsformaten, die, klug angewendet, das Beste aller Lernformate integrieren. Dabei handelt es sich dann um das sogenannte Blended Learning. Zu den nicht formalen Weiterbildungen zählen auch die sogenannten Micro-Learnings, die meist nur wenige Minuten dauern und im Arbeitsalltag situativ absolviert werden.
Informelle Weiterbildung
Informelle Weiterbildung im beruflichen Bereich bedeutet Alltags- oder Erfahrungslernen. Mitarbeitende lassen sich von Kolleg*innen etwas erklären, sie probieren spontan etwas aus, lernen quasi spielerisch, indem sie zum Beispiel Funktionen einer Software testen, um verstehen zu lernen, welchen Funktionsumfang die Software aufweist.
Berufliche Weiterbildung
als Teil der Personalentwicklung
Wenn berufliche Weiterbildung im Unternehmen fest etabliert ist, stellt sie einen der Kernthemen der Personalentwicklung dar. In kleineren Unternehmen nimmt dies die Geschäftsleitung oder die HR-Abteilung wahr, in größeren Unternehmen gibt es dafür häufig eine dedizierte Abteilung »Personalentwicklung«. Die Aufgabe einer effektiven Personalentwicklung ist, die aktuellen und zukünftigen Kompetenzanforderungen des Unternehmens zu erfassen und sicherzustellen, dass die benötigten Kompetenzen möglichst jederzeit vorhanden sind.
In diesem Zusammenhang kommen Stellenbeschreibungen ins Spiel. In ihnen sind festgehalten die einzelnen Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Über- und Unterstellungsverhältnisse usw. Ein wesentlicher Punkt ist außerdem das Anforderungsprofil, also Informationen darüber, welche Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und weitere Skills zur Erfüllung der Stellenaufgaben erforderlich sind.
In den Personalunterlagen findet sich das Pendant zum Stellen-Anforderungsprofil, nämlich das Kompetenzprofil. In ihm wird festgehalten, über welche Skills die Mitarbeiterin oder Mitarbeiter verfügt.
Vergleicht man beide, das Anforderungsprofil der Stelle und das Personal-Kompetenzprofil, so ergibt eine mehr oder minder große Übereinstimmung. Daraus schließen Mitarbeitende in der Personalentwicklung, inwieweit Mitarbeitende zur jeweils von ihnen besetzten Stelle passen und an welchen Stellen Defizite ausgeglichen werden müssen.
In Bezug auf die Zukunft wird idealerweise das Stellen-Anforderungsprofil erweitert. Das ermöglicht es, schon frühzeitig Weiterbildungsbedarfe zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen.
In letzter Zeit wird es immer wichtiger, Menschen dort einzusetzen, wo sie nicht nur die dazu benötigten Skillprofile aufweisen, sondern an Stellen, die den Neigungen, Talenten und Vorlieben der Menschen entsprechen. Dies ist die Folge des sogenannten »New Work«, das als Resultat verspricht, dass Leistung, Zufriedenheit und Mitarbeitendenbindung signifikant wachsen, wenn die Menschen das tun, was sie tatsächlich wollen. Dadurch erleben sie Selbstwirksamkeit, Spaß und ein hohes Maß an persönlicher Erfüllung.
Der 1930 in Sachsen geborene und im Mai 2021 in Ann Arbor, Michigan, USA, verstorbene Philosoph und Anthropologe Prof. Frithjof Bergmann beschäftigte sich während annähernd seines gesamten Berufslebens und bis zu seinem Tod mit dem Thema »Handlungsfreiheit« insbesondere im Zusammenhang mit Lohnarbeit. Er ist Begründer des »New Work«, also der neuen Arbeit.
Die wichtigsten Prinzipien des New Work sind persönliche Selbstständigkeit und Freiheit sowie Teihabe an der Gemeinschaft. Im Gespräch mit Arbeitern stellte er die berühmte Frage: »Was willst du wirklich, WIRKLICH tun?«
Besonders im Zuge der Globalisierung, der VUCA-Welt, den Grenzen des Wachstums und immer härterem Wettbewerb richtet sich der Fokus der Personalentwicklung immer mehr auf die Belange der Mitarbeitenden und deren Soft Skills, und das Konzept des New Work füllt die entstandene Kluft zwischen Unternehmensinteressen und den Interessen der Mitarbeitenden. Die gleichzeitige Erfüllung beidseitiger Interessen in gleichem Maß wird so ermöglicht zum Vorteil aller Stakeholder.
Vermittlung berufsbezogener
und berufsübergreifender Kompetenzen
Berufliche Weiterbildung zu verstehen und anzuwenden, um im engen Zusammenhang mit der Arbeitsstelle stehende Defizite auszugleichen und Stärken auszubauen, ist zwar richtig, greift jedoch zu kurz. In der jetzigen, weiter oben skizzierten Welt und auch im Zuge des New Work werden weitere Kompetenzen gebraucht.
Die heute ebenfalls wichtigen Kompetenzen gehen weit über das rein berufliche Feld hinaus. Es handelt sich dabei um berufsübergreifende Kompetenzen. Das bedeutet, dass diese nicht nur für spezifische Arbeitsstellen benötigt werden, sondern vielmehr gleichermaßen über fast alle vorhandene Stellen eine Rolle spielen.
Die berufsübergreifenden Kompetenzen sind in verschiedenen Bereichen angesiedelt: allgemeine Arbeitskompetenz, Methodenkompetenz, IT-Kompetenz, Analyse- und Bewertungskompetenz, Resilienz, Selbstführung, soziale Kompetenz, Persönlichkeit, Führungskompetenz. Da ist also ein weites Feld, was hier bestellt werden muss, um unserer Zeit zu entsprechen und die Antworten parat zu haben, wenn es gilt, sich trotz VUCA am Markt zu behaupten.
Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich derzeit überwiegend auf berufsübergreifende Kompetenzen, zumal diese erst einmal in das Gesamtkonzept der Weiterbildung integriert werden müssen. Aufgabe der Personalentwicklung ist es, eine Balance zu finden in der Stärkung der Hard Skills und der Soft Skills, je nach individueller Situation im Unternehmen.
Hemmende und förderliche Aspekte
für die berufliche Weiterbildung
Für die berufliche Weiterbildung gibt es eine Reihe hemmender Aspekte. Sie sind sowohl bei Mitarbeitenden zu verorten als auch in den Unternehmungen und dortigen Strukturen an sich.
Hemmende Aspekte
Verschiedene Mitarbeitende, oft ältere oder schon langjährig Beschäftigte, hegen grundsätzliche Vorbehalte. Bei ihnen hört man dann: »Meine Erfahrung reicht, ich muss nichts Neues lernen.« Oder: »Ich fühle mich überfordert, noch einmal anfangen zu müssen, etwas Neues zu lernen.« Oder aber: »Es ängstigt mich, an dieses neue Thema heranzugehen, weil ich befürchte, damit nicht mehr klarzukommen.«
In den Unternehmen fehlt es manchmal insbesondere in den Geschäftsleitungen oder der Führungsebene insgesamt häufig an Einsicht in die Notwendigkeit der permanenten Weiterbildung der Mitarbeitenden. Da hört man dann: »Die Leute sollen arbeiten und nicht immer wegen Weiterbildung fehlen. Wenn, dann sollen sie sich in ihrer Freizeit weiterbilden.« Nur die allernötigsten Weiterbildungen haben dann die Chance, in die Wirklichkeit umgesetzt zu werden.
Bei beiden Gruppen fehlt es immer noch hier und da an der Bereitschaft, sich mit allen Konsequenzen auf das Konzept des lebenslangen Lernens einzulassen. Menschlich mag das verständlich sein, denn Veränderungen und Neues bewirken häufig Widerstand, meist aus dem Unterbewusstsein heraus. Dabei wird die reale Gefahr, ohne Weiterbildung bereits bald abgehängt zu sein, unterschätzt oder gar negiert.
Förderliche Aspekte
Je höher der Bildungsgrad der Mitarbeitenden, desto höher ist meist auch die Bereitschaft zur Weiterbildung. Diese Menschen sind es gewöhnt, Neues aufzunehmen, dazuzulernen. Die im Schnitt höhere Intelligenz wirkt sich ebenso positiv aus.
Jüngere Menschen lernen in der Regel leichter und schneller als ältere. Bei ihnen ist die Schulbildung beziehungsweise die akademische, auf höherem Niveau liegende Bildung noch präsenter, und daher braucht es auch weniger Überwindung oder erneutes Hineinfinden in den Bildungsmodus.
Förderlich erweist sich immer, wenn die Sinnhaftigkeit der Weiterbildung deutlich und bewusst ist, weil die Bildungsmotivation damit steigt.
Förderung und angemessene Forderung der Mitarbeitenden durch Führungskräfte wirkt sich ebenso positiv auf die Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung aus. Besonders die unmittelbaren Vorgesetzten können hier einen guten Einfluss ausüben, auch mit dem Vorleben der entsprechenden Verhaltensweisen.
Eine gute Fehler- und Bildungskultur im Unternehmen, gepaart mit ausgeprägten Bemühungen um Personalentwicklung geben die notwendige Basis, auf der Weiterbildung wachsen kann. Dies ist einer der wichtigsten förderlichen Aspekte für berufliche Weiterbildung und gehört auf die Agenda der Strategiebestimmung eines jeden Unternehmens.
Risiken und Nutzen der beruflichen Weiterbildung
Die Risiken der beruflichen Weiterbildung halten sich insgesamt in Grenzen. Es ergeben sich Risiken, wenn Weiterbildung nach der Gießkannen-Methode verteilt wird, wenn Mitarbeitende gegen ihren Willen weitergebildet werden sollen, wenn die Sinnhaftigkeit subjektiv oder objektiv fehlt. Damit ist es möglich, dass Investitionen hierin verbrannt werden.
Die erzielbaren Nutzen der beruflichen Weiterbildung übertreffen die Risiken normalerweise vielfach. Mehr Wissen erzeugt mehr Kompetenz. Außergewöhnlich gutes Wissen erzeugt Exzellenz. Weiterbildung an sich wirkt sich auf das Arbeitsklima, die Motivation und die Mitarbeitendenbindung fast immer positiv aus. Berufliche Weiterbildung verfügt damit über das Potenzial, signifikante Wettbewerbsvorteile zu erzeugen und die Unternehmensergebnisse maßgeblich zu verbessern.
In falsche Weiterbildung zu investieren, kostet ein Stück Geld. Nicht oder nicht ausreichend in Weiterbildung zu investieren, wirkt sich in heutiger Zeit zumindest mittelfristig existenzbedrohend aus.
Wir haben vor Kurzem eine Anekdote gehört:
Der vorsichtige Leiter Finanzen spricht mit dem CEO über Weiterbildung von Führungskräften. Er meint:
»Führungskräfte weiterzubilden, ist ein viel zu großes Risiko. Stell dir vor, wir investieren in sie, sie gewinnen Kompetenzen, und anschließend verlassen sie das Unternehmen.«
Der umsichtige, aber aktive CEO antwortet ihm:
»Stell dir vor, wir bilden unsere Führungskräfte nicht weiter. Wir sparen uns die Investition, und sie bleiben. Was dann?«
Zunehmende Vermischung der Bildungsformen
Aufgrund der vielen Angebote und der Themen- und Formatvielfalt lassen sich die Ausbildung im beruflichen Bereich nicht immer von der nachfolgenden beruflichen Weiterbildung abgrenzen. Oftmals greifen sie ineinander.
Während die formale Ausbildung allgemeine Standards setzt und in der Volkswirtschaft durchsetzt, setzt die nicht formale und informelle Weiterbildung die Akzente, mit deren Hilfe Differenzierung entsteht, was außerdem dem Marketing entgegenkommt und betriebswirtschaftliche Vorteile verschafft.
Daher ist die Vermischung nicht als Nachteil zu verstehen, denn auch auf diese Weise werden wesentliche Unterschiede und Alleinstellungsmerkmale von Unternehmen erzeugt.