Bianca Koch, Geschäftsführerin der Ressourcenschmiede, Interim Managerin und Consultant

Vertretung? Nachfolge? Notfallplan? – Was in KMU oft fehlt und wie du es besser machst

Wenn plötzlich niemand mehr weiß, wie es weitergeht, ist es meist zu spät.
In vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hängt der reibungslose Betrieb an wenigen zentralen Personen – oft an einer einzigen. Fällt diese Person krankheitsbedingt aus, kündigt oder geht plötzlich in den Ruhestand, droht Chaos. Prozesse stocken, wichtige Informationen fehlen, Entscheidungen bleiben aus. Genau hier liegt einer der unterschätztesten Brennpunkte im Arbeitsalltag von KMU: Die fehlende Vorbereitung auf Ausfall, Nachfolge und Vertretung.

Was zunächst wie ein theoretisches Risiko klingt, wird in der Praxis schnell zur existenziellen Bedrohung. Der Betrieb steht – und zwar im schlimmsten Fall wortwörtlich. Damit dir das nicht passiert, schauen wir uns die organisatorischen Hintergründe, die Folgen und vor allem wirkungsvolle Lösungen an. Mit Beispielen aus der Praxis und konkreten Tipps, die du auch ohne Riesenbudget umsetzen kannst.

Organisatorisches Problem

Kein Wissenstransfer

In vielen KMU ist das Wissen in den Köpfen einzelner Personen gespeichert – und genau da bleibt es auch. Ob es um spezielle Maschinenkenntnisse, Kundenbeziehungen, IT-Zugänge oder Lieferantenkontakte geht: Wenn dieses Wissen nicht dokumentiert oder weitergegeben wird, ist es im Ernstfall schlichtweg nicht mehr zugänglich.

Praxisbeispiel:
Ein Metallbaubetrieb mit 15 Mitarbeitenden hatte einen erfahrenen Werkstattleiter, der seit Jahren sämtliche Aufträge organisierte, mit Kunden kommunizierte und alle Materialbestellungen im Griff hatte. Als er wegen eines Bandscheibenvorfalls über Monate ausfiel, wusste niemand, wo die aktuellen Auftragsunterlagen lagen, welche Teile schon bestellt waren oder welcher Lieferant für Spezialschrauben zuständig war. Der Betrieb verlor in wenigen Wochen mehrere Kunden.

Kein Notfallplan bei Krankheit oder Ausfall

Vertretungsregelungen sind in vielen Betrieben vage oder gar nicht vorhanden. Wer springt ein, wenn die Chefin plötzlich im Krankenhaus liegt? Wer hat Zugriff auf das ERP-System? Wer führt die Gespräche mit dem Steuerberater? Wer darf Entscheidungen treffen?

Praxisbeispiel:
Ein Handwerksbetrieb wurde plötzlich vom Ausfall des Geschäftsführers durch einen Motorradunfall überrascht. Die Büroorganisation lag still, weil niemand Zugriff auf die Bankkonten, den Terminkalender oder die Auftragsdatenbank hatte. Die Mitarbeiter:innen waren unsicher, wie sie Prioritäten setzen sollten. Drei Wochen später gab es bereits erste Zahlungserinnerungen von Lieferanten.

Folgen fehlender Vorbereitung

Stillstand bei Ausfall einer Schlüsselfigur

Ein ungeplanter Ausfall kann die tägliche Arbeit komplett lahmlegen. Wenn zentrale Personen plötzlich fehlen, brechen nicht nur einzelne Abläufe zusammen – oft steht der gesamte Betrieb unter Schock. Die Unsicherheit lähmt das Team. Entscheidungen bleiben aus, Kundenkontakte reißen ab, die Außenwirkung leidet.

Konkrete Auswirkung:
Ein kleines Architekturbüro konnte ein wichtiges Ausschreibungsprojekt nicht fristgerecht einreichen, weil nur der Inhaber wusste, wie das Leistungsverzeichnis strukturiert ist. Der Auftrag ging an die Konkurrenz – ein Verlust von über 50.000 Euro potenziellem Umsatz.

Existenzielle Abhängigkeit von Einzelpersonen

Wenn das Unternehmen von einzelnen Personen abhängt, gerät es schnell in eine riskante Schieflage. Diese Abhängigkeit ist gefährlich – nicht nur bei plötzlichen Ausfällen, sondern auch langfristig. Kündigt eine Schlüsselperson, kann sie wertvolles Wissen und Kundenbeziehungen mitnehmen. Auch die Unternehmensnachfolge wird so erschwert: Potenzielle Käufer:innen oder Nachfolger:innen schrecken vor einem Betrieb zurück, in dem alles an einer Person hängt.

Beispiel aus dem Alltag:
Eine Inhaberin wollte ihren kleinen IT-Dienstleister in den Ruhestand übergeben. Doch weil alle technischen Zugänge, Serverstrukturen und Prozesse nur sie kannte und nirgends dokumentiert waren, fand sich kein Nachfolger. Die Firma musste aufgelöst werden – samt Entlassung aller Mitarbeitenden.

Vorsorge ist die Lösung

Notfallmanagement & Vertretungsregeln

Ein einfaches, aber durchdachtes Notfallkonzept kann den Unterschied zwischen Stillstand und Weiterbetrieb bedeuten. Dazu gehören:

  • Eine klare Liste mit Zuständigkeiten im Krankheits- oder Ausfallfall.
  • Zugriffsmöglichkeiten auf relevante Systeme (Passwortverwaltung!).
  • Kommunikationswege für Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten.
  • Eine Vertretungsregelung mit Entscheidungsvollmachten (intern oder extern).
  • Eine Notfallmappe – digital oder in Papierform – mit allen wichtigen Informationen. 
     

Praxistipp:
Nutze Tools wie Bitwarden, 1Password oder KeePass zur strukturierten Passwortverwaltung. Erstelle Checklisten für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. Halte mindestens eine Person im Team bereit, die im Notfall einspringen kann – auch wenn das bedeutet, dass du regelmäßig Know-how verteilen musst.

Realitätscheck:
Niemand muss gleich ein komplettes Krisenhandbuch erstellen. Starte mit einem Notfallordner und einer simplen Datei: „Was passiert, wenn ich morgen ausfalle?“ – und beantworte diese Frage schriftlich.

Dokumentation zentraler Abläufe

Wissen muss aus den Köpfen aufs Papier – oder besser: ins System. Dabei geht es nicht um trockene Handbücher, sondern um praktische Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Vorlagen, Kontaktlisten und klare Abläufe.

Konkrete Maßnahmen:

  • Dokumentiere regelmäßig wiederkehrende Aufgaben mit Screenshots oder kurzen Videos.
  • Erstelle einfache „How-To“-Anleitungen für wichtige Tools, Prozesse, Kundenabläufe.
  • Halte regelmäßige „Wissensübergaben“ im Team ab – z. B. durch Job-Rotation, Shadowing oder kurze Dokusessions.
     

Praxisbeispiel:
Ein Onlinehandel mit nur sechs Mitarbeitenden nutzte Loom-Videos, um die Abläufe der Warenwirtschaft zu erklären. So konnte eine Kollegin im Homeoffice einspringen, als die Lagermitarbeiterin überraschend krank wurde – und alles lief weiter.

Aufbau eines Nachfolgekonzepts

Die Frage der Nachfolge ist oft emotional aufgeladen – besonders in Familienbetrieben. Doch wer frühzeitig plant, schützt nicht nur sein Unternehmen, sondern auch Mitarbeitende und Kund:innen.

Bausteine eines guten Nachfolgekonzepts:

  • Frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema (5–10 Jahre im Voraus).
  • Identifikation potenzieller Nachfolger:innen im Unternehmen oder im privaten Umfeld.
  • Klärung rechtlicher, finanzieller und steuerlicher Aspekte.
  • Erstellung eines Übergabeplans (schrittweise Übertragung, klare Kommunikation).
     

Tipp:
Nutze Beratungsangebote der IHK, Handwerkskammern oder Wirtschaftsförderungen – viele davon sind kostenfrei oder werden bezuschusst. Es lohnt sich, früh drüber zu sprechen – auch wenn’s noch nicht brennt.

Praxisbeispiel:
Ein Elektroinstallationsbetrieb regelte die Übergabe an einen langjährigen Mitarbeiter durch ein dreijähriges Tandem-Modell: Der Seniorchef blieb als Berater an Bord, während der Nachfolger nach und nach mehr Verantwortung übernahm. Der Übergang verlief ohne Kundenverluste – und das Team blieb stabil.

Weitere wichtige Aspekte

Unternehmenskultur: Fehlerfreundlichkeit & Wissensteilung

In Unternehmen, in denen Fehler als Lernerfahrungen gelten und Wissen aktiv geteilt wird, fällt die Vorbereitung auf Ausfall und Nachfolge deutlich leichter. Eine offene, vertrauensvolle Kommunikation ist der Schlüssel. Teams, die sich gegenseitig unterstützen und transparent arbeiten, entwickeln automatisch Vertretungsfähigkeiten – ganz ohne Zwang.

Tipp:
Fördere regelmäßig kurze „Wissensrunden“ im Team, z. B. ein 15-minütiges Format pro Woche: „Was hab ich gelernt, was andere auch wissen sollten?“ – das stärkt nicht nur den Zusammenhalt, sondern reduziert auch Wissensmonopole.

Digitalisierung nutzen

Digitale Tools helfen, Wissen zu sichern, Aufgaben zu organisieren und Vertretungen zu erleichtern:

  • Projektmanagement: Trello, Asana, Notion
  • Wissensdatenbanken: Confluence, Notion, Google Sites
  • Passwortmanagement: Bitwarden, 1Password
  • Kommunikation: Slack, Microsoft Teams
     

Wichtig:
Nicht jedes Tool passt zu jedem Betrieb – starte klein, probiere aus, und finde das passende Set für dein Team.

Fazit

Viele KMU laufen jeden Tag am Limit – nicht nur operativ, sondern auch in Sachen Risikoprävention. Dabei braucht es keine riesigen Strategien oder Beraterverträge, um Ausfall und Nachfolge besser abzusichern. Schon mit kleinen Schritten lassen sich große Wirkungen erzielen: Wissen dokumentieren, Verantwortung verteilen, Vertretungsregeln festlegen, frühzeitig über Nachfolge sprechen.

Du musst nicht alles auf einmal anpacken – aber fang an. Denn wer vorbereitet ist, bleibt handlungsfähig. Auch wenn’s mal plötzlich kommt.

Wenn du dich in dem einen oder anderen Punkt wiederfindest, dann lass uns ins Gespräch kommen. Bestimmt haben wir erste Impulse und Tipps für dich. Wir klären außerdem gemeinsam, ob und inwieweit wir dich auf deinem Weg unterstützen können. Wir freuen uns auf das Gespräch mit dir.

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